FAQ Hochbegabung/Höchstbegabung

Dies ist eine Zusammenfassung verschiedener Fragen aus verschiedenen Foren über Hochbegabung und Höchstbegabung. Meine Antworten spiegeln teils meine eigene Meinung wieder, sind aber sowohl auf meine Erfahrungen mit meinen eigenen Kindern und solchen, die ich unterrichtet habe gegründet, als auch auf mein Studium der Erziehung Hochbegabter.

Was ist Hochbegabung? Was ist Höchstbegabung? Von Hochbegabung spricht man, wenn mit Hilfe eines auf die Gesamtbevölkerung genormten IQ-Testes ein IQ von über 130 erzielt wird. Ist der IQ über 145 so spricht man von Höchstbegabung. Die Skala geht ziemlich weit nach oben, in englischsprachigen Ländern werden mit ähnlichen Tests IQs von bis über 200 gemessen.

Deutsche Tests deckeln in der Regel bei IQ-Werten von um die 150, das heißt, dass der Getestete mehr beantworten kann als Fragen da sind. Eine genauere Differenzierung zwischen verschiedenen Stufen der Begabung ist damit kaum möglich, weil der gesamte Bereich über dem Deckelwert quasi zusammengefasst wird.

Was sind Prozentränge? Kann man die in IQs übersetzen? Ja, man kann. Prozentrang 50 heißt, daß der Testling 50 Prozent aller Gleichaltrigen unter sich und 50% über sich hat. Das entspricht dann einem IQ von 100 - genau der Mitte der symmetrischen Gaußkurve. Der Bereich zwischen den ersten Standardabweichungen betrifft ca 60 Prozent aller Leute (IQ zwischen 85 und 115 oder zwischen Prozentrang 15.9 und 84.1). eine Gausskurve

Was bedeutet es, wenn die Untertests ungleichmäßg sind Es gibt wenige Leute, die sich komplett gleichmäßig entwickeln. Die meisten haben starke und schwache Seiten. Es geht soweit, daß es sogar eine Definition der Hochbegabung über Asynchronie gibt (H.B. ist starke Asynchronie). Starke Variationen im IQ-Test (mehr als 20 sub-IQ-Punkte) können aber auch darauf hinweisen, daß Lernschwächen vorliegen. Ein relativ niedriger Handlungsteil bei sehr hohem Verbalteil kann zum Beispiel auf Wahrnehmungsstörungen, visuell räumlichen Lernstil oder Feinmotorik-Probleme hinweisen. Ein niedrigerer Verbalteil kann bedeuten, daß der Getestete nicht in seiner Muttersprache getestet wurde.

Taugen Online-Tests etwas? Ja und nein. Ja, um ein generelles Bild des eigenen Standes zu haben (sofern nicht geschummelt wird). Nein, weil sie alles andere als genau sind und sehr oft viel zu hoch einschätzen. Es gibt für eine genauere Diagnose von Hochbegabung keinen Weg um eine Test-session mit einem Psychologen herum.

Warum muß ich eigentlich wissen, ob mein Kind höchstbegabt ist? Man sollte es wissen, weil zum Beispiel ein Kind mit IQ 190 von einem mit IQ 130 in etwa so weit entfernt ist, wie letzteres von einem leicht retardiertem Kind. Selbst wenn das erste Kind in einem Begabtenprogramm gefördert wird, kann es gut sein, daß das nicht genug ist. IQ 190 ist in Deutschland nicht meßbar, höchstens abschätzbar, aber man sollte im Rahmen der Möglichkeiten versuchen, ein möglichst genaues Ergebnis zu bekommen (auch wenn das eventuell heißt, mehrmals zu testen).

Kann es sein, daß mein Kind sich auf dem Gymnasium schon wieder langweilt?Ja. Auch wenn das Gymnasium der schwierigste Schulzweig in Deutschland ist, heißt das nicht, dass es alle HBs vollständig auslastet. Wenn man bedenkt, daß ein Drittel bis ein Viertel aller Schüler (persönliche Abschätzung - gibt es bestimmt Statistik dazu) dort landen, aber nur 2 Prozent aller Kinder im engeren Sinne hochbegabt sind, kann es durchaus vorkommen, daß sich HBs in undifferenziertem Unterricht langweilen. Es ist natürlich nicht so wahrscheinlich, wie in der Grundschule.

Was sind die generellen Erfahrungen mit Springen? Gut. Generell gibt es wenig forschungsbasierte Argumente gegen das Springen - im Gegenteil: in den USA wurde 2004 der Bericht zur Akzeleration unter Nationdeceived.org veröffentlicht, der Forschung aus den letzten Jahrzehnten zusammenfaßt.

Dennoch muß man folgendes beachten:

Ansonsten sollte man noch beachten:

Soll ich mein Kind früh einschulen?Dieselben Argumente wie fürs Springen gelten auch für frühe Einschulung. Die Forschung sieht das positiv. Hier spielen natürlich einige weitere Schulfähigkeitskriterien eine Rolle. Zum einen sollte die Feinmotorik weit genug sein, zum anderen eine gewisse Selbständigkeit vorhanden sein. Theoretisch könnte man träumen, daß gut differenzierende Lehrer einem Kind mit schlechter Feinmotorik einfach etwas mehr Zeit zum Lernen geben, praktisch ist das in Klassen mit 30 Schülern und ebensovielen lernschwachen wie lernstarken Kindern unrealistisch (leider!!!) Eigentlich sollte ein Kind, das kognitiv weit über Durchschnitt liegt, nicht gezwungen werden, nur an seiner schwachen Seite, nämlich der Motorik zu arbeiten und die starken Aspekte zu vernachlässigen. Daß das nicht gut für das Selbstbewußtsein sein kann, ist logisch. Leider ist es aber in der Praxis noch genau so.

Eltern, die über Einschulung nachdenken, sollten genau analysieren, was die Alternativen sind, und genau das mit der zuständigen Schule ausdiskutieren.

Wenn mein Kind hochbegabt ist und akademisch genau auf seinem Leistungsniveau gefördert wird, dann ist doch alles ok, oder?Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Es kommt auf ganz viel drauf an: Ob das Kind Freunde findet (und Wert auf solche legt), wie sozial anpassungsfähig das Kind ist, wie der intellektuelle und Alters-Abstand zum Rest der Klasse ist, Forschung aus den 40ern geht von einem Ideal-IQ zwischen 125 und 145 aus - in diesem Bereich sind Kinder anscheinend besser in der Lage, sich an die Umgebung anzupassen. Klaffen die Niveaus zu sehr auseinander, kann es sein, dass sich das Kind durch die gesamte Schulzeit hindurch als Außerirdischer fühlt, nicht passend, nicht dazugehörig, verrückt. Das geht so weit, daß manche Kinder sich eher für dumm halten, wenn's mit dem Nachbarn nicht klappt. Oder sie verleugnen sich selbst so lange, daß sie irgendwann selbst nicht mehr wissen, warum sie traurig sind.

Wie wichtig ist es, daß Kinder sozialen Kontakt mit Gleichaltrigen haben?Eigentlich wichtig für alle. Für Hochbegabte kann es aber sehr angeraten sein, daß Kontakt zu gleichaltrigen Hochbegabten gesucht wird. Das ist dann eine Gelegenheit für diese Kinder, sie selbst - ohne Maske - zu sein und jemanden zu finden, der sie versteht und ähnliche erfahrungen gemacht hat.

Ist Hochbegabung erblich?Anscheinend wohl schon. Allerdings ist die Forschung noch nicht ganz eindeutig darüber, welcher Anteil "nature" (Vererbung) und welcher "nurture" (Erziehung/Umgebung) ist. Im Prinzip sind die Abstände von Geschwistern zueinander in der Größenordnung von 10-15 IQ-Punkten. Ähnlich sieht das mit Eltern-zu-Kind-Abständen aus.

Woran merke ich als Erwachsener, daß ich hochbegabt bin?An den gleichen Dingen wie Kinder - hohe Sensitivität, intelligente oder weit ältere Freunde, das Gefühl, daß viele die eigenen Argumente nicht verstehen. Die Wahrscheinlichkeit ist recht hoch, wenn man HB Kinder hat, daß man selbst HB ist.

Was mache ich mit Underachievern? Motivieren :-)

Irgendwelche Forscher haben mal gesagt, man solle Underachiever nicht Underachiever nennen sondern "selective consumers" (wählerische Konsumenten). Dieser Aussage stimme ich zu: viele Begabte haben kein Interesse an traditionellem Bildungsinhalt interessieren sich aber brennend für Sport, Musik, Literatur, Computer außerhalb der Schule, aber so, daß Lehrer das vielleicht nur begrenzt mitkriegen. Oft geschieht eine solche Spezialisierung auch wegen der Klassenumgebung - die Kameraden sollen nicht merken, daß man schlauer ist, also wird im Geheimen gelernt. Insofern ist die erste Hilfsmaßnahme, daß Underachiever in irgendeiner Form eine Umgebung finden können, in der ihre Interessen anerkannt und wertgeschätzt werden. Das kann durch ein Mentorverhältnis, durch eine spezielle Lerngruppe, oder duch Kontakt mit gleichaltrigen Gleichinteressierten geschehen. In der Schule kann eine solche Umgebung durch Referate mit freier Themenwahl ermöglicht werden.

Wie kann ich meinem Perfektionisten helfen? Am allerbesten durch Vorleben eines guten Beispieles. Als Eltern kann man eigene Fehler eingestehen und dafür sorgen, daß das Kind blickt, daß Fehler ok sind, solange man dazu steht und daraus lernt. Spiele wie Mastermind, bei denen man nur durch falsche Antworten zum Ziel kommt helfen auch.

Mein Kind ist ganz deprimiert. Was kann ich tun?Hochbegabte haben oft viel intensivere Sinneswahrnehmung als Regelkinder. Dadurch kann es sein, dass sie schon mit vier Jahren über Gott und die Welt und den Tod meditieren, aber sehen, daß keiner sie versteht. Das Wichtigste ist, daß man als Eltern zuhört, negative Gedanken nicht als nicht altersgerecht abwimmelt und eventuell auch Vorfälle aus der eigenen Jugend anbringe, Situationen, in denen man sich ähnlich gefühlt hat. Hochbegabte fühlen sich oft alleine und unverstanden, quasi isoliert. Verständnisvolle Ansprechpartner sind sehr sehr wichtig und können sich überall finden (Pfarrer, Hausmeister der Schule, Oma, Opa ...)

Valid HTML 4.01!